Halle/MZ. - Vor knapp zehn Jahren erging es ihm ähnlich. Damals hieß er noch Peter Drabe und war Journalist. Und er schrieb über die Gründung der Schlaraffen-Kolonie "Hala Salensis", die sich mit viel Brimborium im neuen theater vollzog. Wenig später gehörte er selbst ...
Vielleicht sollte man die Zeit etwas zurückdrehen, um den Zugang zur Welt der Schlaraffen zu finden. Mitte des 19. Jahrhunderts war es, als deutsche Schauspieler, Opernsänger, Journalisten und Mäzene in Prag einen Männerbund namens "Arcadia" gründeten. Schon bald aber beanspruchte die höhere Gesellschaft den Bund für sich. Wer zwar geist- und talentvoll, aber weitgehend mittellos war, blieb draußen. Und also trennten sich die Künstler und Journalisten von den Geldsäcken und gründeten mit der "Schlaraffia" einen neuen Bund. Eigentlich war das im Jahre 1859. Doch da die Gründung in einer Lokalität ablief, über deren Eingang ein steinerner Uhu thronte, machte man an ihm die neue Zeitrechnung fest. Die Gründung der halleschen Schlaraffen-Kolonie fand folglich anno Uhui 139 statt.
Mehr als 400 Reyche (ein Reych bilden Schlaraffen aus einer Stadt) entstanden seither weltweit. Sie wurden durchnummeriert. Halle erhielt die 417. Rund 12 000 Mitglieder - bezeichnet als Ritter, Knappen, Junker oder Pilger - leben nach den Grundsätzen der Vereinigung, die in Schlaraffen-Spiegel und Ceremoniale festgehalten sind. "Schlaraffia ist die innige Gemeinschaft von Männern, die ...die Pflege der Kunst und des Humors bezweckt, und deren Hauptgrundsatz die Hochhaltung der Freundschaft ist", heißt es da zum Beispiel. Im Grunde könne jeder Mann beitreten, der Deutsch spricht, meint Bleilaus von der Letter.
Freilich, ein paar andere Grundsätze gibt es da auch noch. "Äußerungen zu Politik, Religion oder gar frauenfeindliche Ergüsse sind nicht gestattet. Die stören die Harmonie." Frauen an sich stören sie nicht. Zweimal im Jahr dürfen sie teilhaben an jener Mischung aus Ernsthaftigkeit, Schabernack und Persiflage des Rittertums. Und das ist zur "Uhu-Baumfeyer" - man ahnt, es ist das Weihnachtsfest - und beim alljährlichen Giebichensteinfest. Wenn es auf der Burg gar ritterlich zugeht und der Sprung Ludwigs des Springers immer aufs neue (gefahrfrei) zelebriert wird, sind Kind und Kegel in munterer Zahl dabei. Bei allen anderen Sippungen (Treffen), die gewöhnlich in der Winterung (Winterhalbjahr) stattfinden, sind die Männer zwar unter sich - längst aber nicht immer in gleicher Runde. Schließlich ist es üblich unter Schlaraffen, in die Welt hinauszureiten oder selbst Gäste zu empfangen. Bleilaus hat zum Beispiel Ritterkollegen in Frankreich und Italien besucht.
Diese Aufenthalte kann er im Schlaraffenpass nachweisen. Weitgereiste Ritter aus fremden Reychen schauen regelmäßig an der Saale vorbei. Das ist alles kein Problem. Schließlich sprechen auch Schlaraffen aus den USA, Australien oder Afrika Deutsch. An der kleinen Perle im Revers erkennt sie einander und grüßen sich mit einem lauten "Lu-lu". Gewöhnlich besorgt man Quartiere und zeigt die jeweiligen Reychs-Sehenswürdigkeiten.
Als farbenfrohes Spektakel erleben Gäste und Einheimische die Sippungen. Neben festen Zeremonien gibt es eine Reihe von musikalischen und wortgewaltigen Beiträgen. Jeder Schlaraffe hat so seine ganz eigenen Qualitäten. Doch wie gut die auch immer sind - nach drei Minuten ist Schluss mit Gesang oder Rezitation. Für besondere Verdienste (auch in der Unterhaltungskunst) gibt es Ahnen - heute würde man Sticker sagen. Man trägt sie an der reychstypischen Rüstung. Bleilaus scheint besonders erfolgreich zu sein. Sein rot-weißer Umhang lässt beim Laufen schon ein leichtes Klimpern hören.
Etwa 30 Schlaraffen gibt es in Halle. Nachwuchs mit Sinn für Gaudi ist jederzeit willkommen. Denn wie heißt es doch im dicken Band von "Derer Schlaraffenlieder": "Es ist Schlaraffias schönste Zier ein harmlos heit'res Streben. Drum sollen stets als Brüder wir Uhus Verehrer leben." Ah ja, und was sagt Peter Drabe dazu? "Die Texte haben nicht unbedingt viel Sinn, aber es klingt schön."