Mein Weg zu Schlaraffia
Auf Schlaraffia wurde ich bei Treffen mit einem befreundeten Ehepaar aufmerksam. Rt Technikus, schon lange Mitglied Schlaraffias, erzählte viel über die Sippungen, so heißen die Zusammenkünfte der Schlaraffen. Er berichtete, dass dort viel gesungen und musiziert wird, und dass es viele interessante Redebeiträge (Fechsungen) zu den vielfältigsten Themen gibt, und dass viel gelacht wird und man die Alltagssorgen während der Sippungen vergisst. So stand öfters die Aufforderung im Raum, doch mal als Gast bei einer Sippung der Schlaraffen dabei zu sein. Ich fand es beeindruckend, mit welcher Herzlichkeit und Freundlichkeit die Sassen (=Mitglieder) des Reyches Hala Salensis mich in ihrer Mitte begrüßten, sodass ich niemals das Gefühl hatte, bei ihnen fremd zu sein.
Für mich als damaliger Musiker der Staatskapelle Halle bestand die Schwierigkeit, das Berufsleben mit den wöchentlichen Zusammenkünften in der Winterung (die Zeit von Oktober bis April, in der gesippt wird) zu vereinbaren. Und so habe ich auch lange Zeit gebraucht, um bei den Schlaraffen anzukommen, uneingeschränkt eigentlich erst seit meinem Eintritt ins Rentenalter.
Der Weg zu Schlaraffia sieht langwierig aus, aber jede Phase hat ihren Sinn. Als Pilger schaut man erstmal, ob es gefällt. In der Zeit als Prüfling soll man prüfen, ob man sich mit den Gepflogenheiten der Schlaraffen identifizieren kann. Auch die Sassen der Hala Salensis haben mich beobachtet und sind zu dem Schluss gekommen, dass ich ein Mann von unbescholtenem Ruf im reiferen Lebensalter bin, denn nur unter dieser Voraussetzung ist eine Aufnahme lt. Schlaraffenspiegel (dem „Grundgesetz“ Schlaraffias) möglich. Die notwendige Abstimmung wird als Kugelung bezeichnet. Jeder Ritter des Reyches erhält eine schwarze und eine weiße Kugel, eine davon muss er in ein Behältnis legen, überwiegen zu vier Fünfteln die weißen Kugeln, gilt der Prüfling in Allschlaraffia als aufgenommen und wird fortan als Knappe geführt, er erklärt seinen Beitritt zum Verein und hat dort alle Rechte und Pflichten. Als Knappe darf man das erste Mal statt dem Strohhut die sogenannte Sturmhaube in den Farben des Reyches (Rot-Weiß) tragen. Ein Handgelöbnis, ein guter und redlicher Schlaraffe zu werden, geht der Einkleidugszeremonie voraus.
Auf dem Weg zum Ritter sind die Rechte noch eingeschränkt. Man ist Lernender und nimmt an der Junkertafel Platz. Der Junkermeister ist der Lehrende, der die Gesetze Schlaraffias erläutert und den Weg des Knappen zum Junker und Ritter gemeinsam mit dem Paten begleitet. Für Verstöße des Knappen oder Junkers muss der Junkermeister geradestehen, deshalb ist die Zeit an der Junkertafel sehr beliebt. Ich wurde im Verlaufe der Jahrungen von drei Junkermeistern begleitet, zuletzt vom Rt Lotherius. Mit ersten Fechsungen, die natürlich im Vorfeld strengstens vom Junkermeister geprüft werden müssen, konnte ich mich an der Rostra (=Rednerpult) ausprobieren. Mir kam zugute, dass ich mit meinem Violinspiel oft einen Beitrag zum Gelingen der Sippung leisten konnte.
Nach bestandener Knappenprüfung, die vor allem von unserem Schulrat Rex Dagobert III. gestellte Fragen zu schlaraffischen Gesetzen aus Spiegel und Ceremoniale zum Inhalt hat, wurde ich in den Junkerstand erhoben und durfte fortan erstmals einen eigenen Namen als Junker Ludwigo führen.
Nach der Teilnahme an mindestens zehn Sippungen darf man zum Ritter geschlagen werden. Vorausgehend muss jedoch wieder eine Prüfung abgelegt werden und man kann mit einer Ritterarbeit beauftragt werden. In meinem Fall hatte ich die Idee, eine Klangscheibe (= CD) aufzunehmen und zu produzieren. Alle Reyche erküren Ehrenschlaraffen, das sind berühmte Persönlichkeiten, mit denen sich jedes Reych gedanklich verbunden fühlt und die dann posthum von diesen ehrenhalber aufgenommen werden.
In der Hala Salensis sind dies die Komponisten G.F.Händel und J.F.Reichardt sowie der Dichter Novalis (G.Ph.F.v.Hardenberg). Da ich Geige spiele, lag es sehr nahe, die Musik Händels und Reichardts aufzunehmen. Unterstützung erfuhr ich dabei natürlich und in dankenswerter Weise von den Rittern Virus und Caruso, neben meiner Burgfrau und der Cellistin A. Reinking meinen musikalischen Mitstreitern, sowie von Rt Oratorius, der die Gedichte von Novalis las.
In einer feierlichen Zeremonie wurde ich dann im Ostermond (=April) dieser Jahrung zum Ritter geschlagen. Der Fungierende (=Leitende) Rt Histofix brachte in bewegenden Worten meinen Werdegang bei Schlaraffia zum Vortrag, nachdem er meinen Junkermeister Rt Lotherius nochmals befragt hat, ob ich willens bin, Schlaraffia zu achten und deren Gesetze einzuhalten. Aus drei Namensvorschlägen durfte ich mir meinen zukünftigen Namen „Ritter Saitensproß vom Seufzerholz“ (Schlaraffisch = Violine) aussuchen. Bald darauf fand auch die Einkleidung statt und ich erhielt vom Gewandmeister Rt Lotherius meine vollständige Rüstung: Den Helm mit meinem Namenszug, den Umhang in den Farben der Hala Salensis Rot – Weiß und die dazugehörige Schärpe mit dem Wappen der Hala Salensis. Voller Stolz konnte ich nun behaupten: „Ich bin ein Schlaraffe!“